Seit dem Wochenende, an dem ich Bundesparteitag und Europawahlversammlung der AfD in voller Länge verfolgt habe, ist mir wirklich flau im Magen.
Wenn es um die AfD ging, habe ich bisher auf das Attribut „faschistisch“ verzichtet, weil ich den Begriff zu oft für unterbestimmt, im Falle der Gesamtpartei AfD für nicht zutreffend und tendenziell für rhetorische Kraftmeierei hielt. Insbesondere waren mir der positive Bezug zu politischer Gewalt, die Betonung von militärischer Männlichkeit, der Wille zum Bruch mit der rechtsstaatlich-liberaldemokratischen Ordnung und die positive Darstellung der faschistischen Vergangenheit in der Gesamtpartei nicht hinreichend ausgeprägt.
Am Wochenende waren sie aber allesamt gängige Bestandteile des Parteidiskurses, ohne dass sie noch auf den geringsten Widerspruch gestoßen wären.
Auf der 14. Blickwinkel-Tagung in Hamburg am 19. und 20. Juni 2023 hielt ich eine Keynote zum Thema „Wessen und wie gedenkt die Antisemitismuskritik?“, deren leicht überarbeitetes Manuskript im Folgenden dokumentiert ist.
Geht es um die stark gestiegenen Preise für Gemüse, ihre Ursachen und mögliche Umgangsweisen, liest man teils allzu plumpe Vorstellungen. Dann werden die hohen Preise für Gurken als allgemeiner Indikator für Inflation verstanden und als Gegenmaßnahme eine Erhöhung des Einkommens der unteren Einkommensgruppen empfohlen, damit auch die sich noch frisches Gemüse leisten können und Gurken nicht zu einem Luxusgut werden.
Es ist grundlegend richtig und wichtig, den unteren Einkommensgruppen mehr Geld zu verschaffen, damit die ihr Leben bestreiten und sich angemessen ernähren können könnten. In dem Maße, in dem die gestiegenen Lebensmittelpreise tatsächlich durch allgemeine Inflation oder durch steigende Energiekosten verursacht sind, kann das auch beim Gemüsekauf Abhilfe schaffen.
Beschränkt man sich auf diese Perspektive, bleiben aber entscheidende Fragen der politischen Ökonomie des Klimawandels ausgeblendet.
Am 27. Februar 2023 fand im Rahmen der von der Akademie für europäischen Menschenrechtsschutz ausgerichteten Reihe „Let’s Talk About Academic Freedom“ eine Veranstaltung mit Janika Spannagel und mir statt. In meinem Vortrag legte ich in Abgrenzung zum Diskurs des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit dar, warum ethisch-politische Kritik an wissenschaftlicher Praxis legitim ist und willkommen geheißen sollte. Im Folgenden dokumentiere ich das (mit Unterstützung von DeepL ins Deutsche übertragene) Manuskript.
Die These dieses Vortrages entspricht der Caption eines etwas fragwürdigen Memes: „We live in a society.“ Etwas genauer: Als Wissenschaftler:innen betreiben wir unsere Forschung in einem sozialen Kontext, unsere Forschung ist eine soziale Praxis, die als solche reflektiert, kritisiert und diskutiert werden sollte.
Diskussionen über Sklaverei leiden oft unter allzu allgemeinen Begriffen. Dann wird ein einfacher Gegensatz zwischen “der Sklaverei“ und “der Freiheit“ konstruiert. Unter Sklaverei wird verstanden, dass eine Person einer anderen gehört und gezwungen ist, für diese zu arbeiten. Freiheit wird demgegenüber mit dem Recht identifiziert, hinfortzuziehen und sich andere Arten auszusuchen, das Leben zu führen und den Lebensunterhalt zu bestreiten. Falsch ist diese Entgegensetzung nicht, aber verkürzt und undifferenziert – und sie hat problematische ideologische Effekte nach beiden Seiten.
Kurz vor ihrem Ende habe auch ich es zur Documenta 15 geschafft und gebe hier meine Eindrücke als politisch und kulturtheoretisch interessierter trotziger Banause mit Klassenressentiments zum Besten:
Der 13. Bundesparteitag der AfD in Riesa war vor allem eins: Die Vorbereitung für Björn Höckes Wahl zum alleinigen Parteivorsitzenden im nächsten oder übernächsten Jahr. Am Wochenende wurde deutlich: Der Punkt, an dem Höcke und der Ex-Flügel in der Partei nicht mehr nur eine starke Veto-Minderheit, sondern eine tonangebende Mehrheit bilden, ist erreicht. Zwar wurde auch an diesem Wochenende nicht jeder Höcke-Antrag sofort erfolgreich durchgestimmt, aber in allen richtungsweisenden Fragen hat er sich durchgesetzt und viel wichtiger: Er hat keine Gegner:innen mehr.
Liebe Mit-Linke, lasst uns bei Gelegenheit mal reden, und zwar über Demokratie.
Liebe Nicht-Mit-Linke, guckt mal da vorne, ein Eichhörnchen!
An der zögerlichen Positionierung oder völligen Nicht-Positionierung von Teilen der Linken in Deutschland wird meines Erachtens ein Defizit im Verständnis von und in der Wertschätzung für liberale Demokratie deutlich. Und das obwohl ich die meisten dabei nicht einmal für Anti-Demokrat:innen oder Gegner:innen rechtlich abgesicherter individueller Freiheit halte. Ich habe eher den Eindruck, dass es an einem positiven normativen Begriff von liberaler Demokratie mangelt.
So, nun habe auch ich den “Clanland”-Podcast gehört, in dem Mohamed Chahrour und Marcus Staiger „nicht über Clans, sondern mit Clans“ sprechen. (Late to the party, I know.)
Ich fand ihn ziemlich gut, habe aber doch zwei Anmerkungen: Zum einen frage ich mich, wie die beiden es bei diesem Thema schaffen, in zwölf ganzen Folgen nicht ein einziges Mal explizit über Geschlecht zu sprechen. Zum anderen macht das Segment „Vorurteil der Woche“ (vermutlich ungewollt) deutlich, dass „Vorurteil“ einfach nicht die richtige Kategorie ist, um das Problem zu fassen.
So, nun habe auch ich den “Clanland”-Podcast gehört, in dem Mohamed Chahrour und Marcus Staiger „nicht über Clans, sondern mit Clans“ sprechen. (Late to the party, I know.)
Vorneweg: ich fand den Podcast gelungen und hörenswert. Den beiden gelingt es, ein ziemlich sperriges und hitzig diskutiertes Phänomen multiperspektivisch einzufangen und differenziert darzustellen. Sie thematisieren die Realität arabischer Großfamilien in Deutschland und gehen dabei auch auf die vieldiskutierte (sowohl kleine als auch organisierte) Kriminalität ein. Dabei setzen sie weder Großfamilien und Kriminalität in eins noch verleugnen sie die Realität der Kriminalität.
Sie diskutieren die vielfältigen Bedingungen, die die heutige Lage hervorgebracht haben und reflektieren die rassistischen Verzerrungen des gesellschaftlichen Diskurses über diese Themen. Bei alldem schaffen sie es dann auch noch, weder effektheischend noch langweilig noch moralisierend zu sein. Und wenn ihre Recherchen in einer Frage kein wirkliches Urteil erlauben, dann urteilen sie auch nicht, sondern halten die Unklarheit fest.
Zwei Anmerkungen habe ich aber doch: Zum einen frage ich mich, wie die beiden es bei diesem Thema schaffen, in zwölf ganzen Folgen nicht ein einziges Mal explizit über Geschlecht zu sprechen. Zum anderen macht das Segment „Vorurteil der Woche“ (vermutlich ungewollt) deutlich, dass „Vorurteil“ einfach nicht die richtige Kategorie ist, um das Problem zu fassen.
Franziska Augstein hat Giacomo Casanovas Memoiren gelesen und glaubt, darin ein Argument gegen „Identitätspolitik“ gefunden zu haben. Leider bemerkt sie nicht, dass das von ihr gewählte Beispiel für das gegenteilige Argument viel besser geeignet wäre.