Steuersenkungen für Reiche, ungedeckte Schecks für Rentner:innen und ein schlechteres Leben für Bürgergeldempfänger:innen. Über die Wirtschafts- und Sozialpolitik im aktuellen AfD-Entwurf für ein Bundestagswahlprogramm

Am 11. und 12. Januar kommt die AfD in Riesa zu ihrem 16. Parteitag zusammen, auf dem sie unter anderem ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahlen im Februar beschließen wird. Letzte Woche veröffentlichte die Partei den Programmentwurf in Form eines Leitantrags zum Parteitag. Ich beschäftige mich im Rahmen meiner Habilitation seit Jahren mit AfD-Parteiprogrammen, wobei mein Schwerpunkt auf der wirtschafts- und sozialpolitischen Positionierung liegt, konkret auf der Wirtschaftspolitik, der Rentenpolitik, der Arbeitsmarktpolitik sowie der Steuer- und Finanzpolitik. Vor diesem Hintergrund ordne ich im Folgenden den aktuellen Entwurf ein.

Der Kernbefund gleich vorneweg: Der seit Jahren oft beschworene sozioökonomische „Linksruck im Rechtspopulismus“ lässt sich auch im aktuellen AfD-Programmentwurf nicht beobachten. Trotz einiger sozialprotektionistischer Zwischentöne befürwortet die Partei insgesamt weiterhin Deregulierung und Steuersenkungen für Reiche, nicht aber Staatsintervention und Umverteilung. Neu ist jedoch, dass die Partei Wirtschaftspolitik und ihr ordoliberal-traditionalistisches Programm zur Rettung der deutschen Industrie nun in den Vordergrund rückt.

Nach einem Disclaimer zur Vermeidung enttäuschter Erwartungen (1) und einigen allgemeinen Punkten zu Form und Funktion von Parteiprogrammen (2), erläutere ich zunächst das Gesellschaftsbild der AfD-Programme (3). Danach weise ich zunächst auf die größte Neuerung hin: Im Programmentwurf wird die Wirtschaft- und Sozialpolitik erstmals in den Mittelpunkt gestellt und in die erste Reihe geschoben (4). Anschließend gehe ich darauf ein, inwiefern sich der Entwurf in den verschiedenen Bereichen gegenüber früheren Programmen verändert und inwiefern er konstant bleibt: In der Wirtschaftspolitik überwiegt die Konstanz, mit einer leicht gesteigerten Betonung der Marktaffinität (5), in der Sozialpolitik gibt es Neuerungen in Form von uneinlösbaren Wahlkampfversprechen an Rentner:innen und einer Rücknahme des in den letzten Jahren gezeigten Sozialprotektionismus in der Arbeitsmarktpolitik (6), in der Steuerpolitik bleibt es bei den alten Versprechen von Steuersenkungen, denen ein neues für Gastronom:innen hinzugefügt wird (7).

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Politische Ökonomie der Gurke. Über Inflation, Klimawandel und Gemüse als Luxusgut

Geht es um die stark gestiegenen Preise für Gemüse, ihre Ursachen und mögliche Umgangsweisen, liest man teils allzu plumpe Vorstellungen. Dann werden die hohen Preise für Gurken als allgemeiner Indikator für Inflation verstanden und als Gegenmaßnahme eine Erhöhung des Einkommens der unteren Einkommensgruppen empfohlen, damit auch die sich noch frisches Gemüse leisten können und Gurken nicht zu einem Luxusgut werden.

Es ist grundlegend richtig und wichtig, den unteren Einkommensgruppen mehr Geld zu verschaffen, damit die ihr Leben bestreiten und sich angemessen ernähren können könnten. In dem Maße, in dem die gestiegenen Lebensmittelpreise tatsächlich durch allgemeine Inflation oder durch steigende Energiekosten verursacht sind, kann das auch beim Gemüsekauf Abhilfe schaffen.

Beschränkt man sich auf diese Perspektive, bleiben aber entscheidende Fragen der politischen Ökonomie des Klimawandels ausgeblendet.

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