Bei den AfD-internen Entwicklungen fällt gerade eine starke Diskrepanz zwischen der ostentativ inszenierten Harmonie auf der Bundesebene und den regelrecht brutalen Kämpfen auf der Landesebene auf.
Auf der Bundesebene feiert man bei Parteitagen in den letzten beiden Jahren in erster Linie Harmoniefeste, weil die wesentlichen Entscheidungen jeweils im Vorfeld in Hinterzimmerabsprachen geklärt wurden (ganz wie bei den Großen).
Auf der Landesebene sind die Kämpfe dagegen so hart wie eh und je. Da werden Landesvorstände und Landesverbände mit allen Mitteln auf Linie der jeweiligen Landesvorstände gebracht und deren Personalvorstellungen kompromisslos durchgesetzt.
Dokumentiert ist dies aus den letzten Monaten zum einen für den Landesverband Thüringen, in dem es zu erheblichen öffentlichen Konflikten kam, nachdem Höcke seine Leute aus dem Umfeld der Landesführung in den Wahlkreisen mit viel Druck und Intrige als „Wahlkreiskandidaten“ durchsetzte (das ist „notwendig“, weil die AfD bei Direktmandaten dort so stark ist, dass es keine „sicheren Listenplätze“ gibt).
Zum anderen hat sich am vergangenen Wochenende ähnliches in Baden-Württemberg abgespielt, wo der Landesverband seine Liste für die Bundestagswahl aufstellte. Der Landesverband ist schon lange einer der unruhigsten und umkämpftesten. Lange hieß es, Weidel sei zwar Vorsitzende, habe aber keine „Hausmacht“, sondern lebe ganz von ihrer Prominenz. Dieses Wochenende haben sie und ihr Verbündeter Markus Frohnmaier aber ihre Leute kompromisslos und erfolgreich durchgesetzt, ihre internen Gegner:innen (bzw. Feind:innen) schonungslos blamiert — vor allem die Radau-Flügelist:innen Christina Baum und Dirk Spaniel, die beide leer ausgingen. Letzterer, bis 2020 selbst Co-Sprecher des Landesverbandes und 2021 auf Listenplatz drei in den Bundestag eingezogen, hat schon seinen Austritt angekündigt (Update: und die Ankündigung dann wieder zurückgezogen). Zu den Mitteln zählte unter anderem, dass Reisen, Hotels und Handgelder gezahlt wurden, damit „richtig“ abstimmende Mitglieder anreisen und die Mehrheit bilden (in BaWü führt die AfD keine Delegierten- sondern Mitgliederparteitage durch).
In Nordrhein-Westfalen laufen die Kämpfe ebenfalls (unter anderem in Form eines vom Landesvorsitzenden Martin Vincentz vorangetriebenen Parteiausschlussverfahrens gegen Matthias „das freundliche Gesicht des NS“ Helferich).
Man kann das nur noch sehr bedingt als politische Flügelkämpfe fassen. Weidel ist sicher pragmatischer als Spaniel oder Baum, Vincentz sicher pragmatischer als Helferich. Aber in ihrem unmittelbaren Umfeld und unter ihren Verbündeten gibt es jeweils Leute (z.B. Frohnmaier), die sicher nicht weniger extrem sind als ihre Gegner:innen.
Viel stärker als um Ideologie scheint es um den schieren Willen zur Macht zu gehen — und um ein Auf-Linie-Bringen, damit „Ruhe im Glied“ herrscht.
Die Entscheidungen auf Bundesebene funktionieren dann deshalb einigermaßen harmonisch, weil die Landesfürst:innen damit zufrieden sind, wenn ihre Leute nach einem vorher ausgehandelten Proporz berücksichtigt werden. (Reibereien wie die zwischen Tillschneider und Höcke gibt es trotzdem, aber auf deutlich niedrigerer Intensitätsstufe.)