Kein Gejammer ist heute lauter als das über die ewige Larmoyanz der Anderen, das tagtäglich aus den Feuilletons von NZZ, Welt und FAZ schallt. Keine “Empörungsindustrie” ist heute einträglicher als die, die sich über Empörung empört.
Tief betroffen wird dort moniert, dass es uns doch eigentlich allen schon viel zu gut gehe und diese nimmersatten Linksgutmenschen trotzdem noch immer mehr Gleichberechtigung, Klimaschutz und Armutsbekämpfung einfordern! Aber mit diesen larmoyanten und „identitätspolitischen“ Forderungen nach mehr Gerechtigkeit soll nun endlich mal Schluss sein – schließlich sind sie nicht nur nervig, sondern auch unproduktiv und irrational, ja antiaufklärerisch.
Wie knallhart rational die – zweifellos hochproduktiven! – Kritiker_innen der Larmoyanz sind, zeigt heute Daniel Fallenstein in der Welt. Mit der bestechenden Logik eines Brandschutzkritikers und Impfgegners notiert er seine messerscharfen Beobachtungen:
„Es gibt immer weniger Schadstoffe, aber mehr Furcht vor ihnen. Rassismus und Sexismus sind auf dem Rückzug, trotzdem wachsen die Etats der Anti-Rassismus- und Gender-Projekte. Grund ist ein urmenschliches Bedürfnis zum Schwarzsehen in unserer Wohlstandswelt.“
Und wie Recht dieser Urmenschenkenner hat! Aber warum hier aufhören? Schließlich gehen die Missstände noch viel weiter! Es gibt immer weniger Tote durch Wohnungsbrände, trotzdem steigt die Verbreitung von Brandmeldern. Auch in deutschen Clubs und Einkaufszentren ist in letzter Zeit kaum jemand verbrannt, trotzdem gibt es immer strengere Brandschutzvorschriften und einen Zwang zu Notausgängen. Die Zahl der Unfalltoten sinkt, aber trotzdem haben heute fast alle Autos Anschnallgurte und Airbags. Kaum jemand infiziert sich hierzulande noch mit Kinderlähmung, aber fast alle Kinder werden dagegen geimpft. Und so weiter, und so weiter!
Es stimmt schon, dass Sexismus, Rassismus und Schadstoffe (eine sehr feuilletondeutsche Kombination von Themenfeldern, die da ausgewählt wurden) heute stärker problematisiert werden als je zuvor. Aber eines sollte klar sein: An Daniel Fallenstein und dem Welt-Feuilleton liegt das sicher nicht.